Altar

Kostbarstes Kunstwerk der Kirche ist der im Jahre 1507 hier aufgestellte und bis 1512 vervollständigte spätgotische Schrankaltar, der zweimal gewandelt (geschlossen) werden kann. Der durch den Bergbau hervorgerufene Wohlstand der Stadt wird unter anderem daran sichtbar, dass die Kirche es sich leisten konnte, den großen Meister HW (Hans Witten) zu verpflichten, den Altar zu gestalten. Als Material verwendete er Lindenholz. Bis in die äußersten Spitzen des Gesprenges besteht der Altar aus Holz.

Der sonntags hier versammelten Gemeinde sowie dem einzelnen Betrachter sollte die biblische Botschaft nahegebracht werden: „Sei getreu bis an den Tod, so will ich dir die Krone des Lebens geben.“ (Offenbarung 2, 10). Der vorgelebten Treue und Standhaftigkeit im Glauben galt und gilt es bis heute nachzuleben.

Die Festtagsseite des Altars:

In der Mitte dieses Altarbildes wird die Krönung der Gottesmutter Maria zur Himmelskönigin dargestellt. Fast schwerelos schwebt Maria, eingerahmt in einen Strahlenkranz und von zwei Engeln auf der Mondsichel getragen, der Krone des Lebens entgegen. Gottvater, Christus und, in Gestalt einer Taube, der Heilige Geist halten diese Krone für sie bereit. Aus dem irdischen Leben wird sie empor getragen in den göttlichen Bereich. Das ist möglich, weil Jesus Christus gestorben ist, dargestellt in der Kreuzigungsszene im oberen Teil des Altars, und weil er auferstanden ist von den Toten, was der Künstler unten in der Predella festgehalten hat.

Neben Maria auf der linken Seite sehen wir die Heilige Katharina, eine Frau, die um ihres Glaubens willen hingerichtet wurde. Das Schwert in ihren Händen deutet auf die Art des Todes hin.

Der Heilige Nikolaus, Schutzpatron der Kirche, steht zur Linken Marias. Um das Jahr 345 war er Bischof in der kleinasiatischen Stadt Myra. In der Hand hält er das Evangelienbuch, auf dem sich drei goldene Kugeln befinden. Die Legende berichtet von ihm, dass er mit seinem Vermögen drei armen Mädchen zu einer Aussteuer verhalf, sodass sie heiraten konnten. Bekannt wurde er als Freund der Armen und der Kinder und Beschützer der Kaufleute und Reisenden. Er ist gleichzeitig der Schutzpatron und Namensgeber unserer Kirche.

Der Bildhauer dieser drei schönen Figuren ist der Meister Hans Witten, geboren um 1475 in Braunschweig.

Auch die Heilige Barbara, links im Flügel zu sehen, musste wegen ihres Glaubens sterben. Ihr eigener rachsüchtiger Vater enthauptete sie. In der Hand hält sie den Abendmahlskelch, den ein Engel ihr in den Kerker gebracht haben soll.

Der rechte Flügel zeigt Bischof Erasmus. Ihm sollen in der Zeit der Diokletianischen Christenverfolgung mit einer Seilwinde bei lebendigem Leibe die Eingeweide herausgedreht worden sein.

Beide, Barbara und Erasmus, galten als Heilige des Bergbaus, der Bergleute. Barbara flehte man bei Schlagwettern an, während die Bergleute in dem Martergerät des Erasmus einen Bezug zu ihren Arbeitsgeräten fanden.

Die Schnitzreliefs der beiden Flügel sind wahrscheinlich Gesellenarbeiten aus der Werkstatt Wittens.

Obwohl alle vier Figuren neben Maria in ganz anderer Zeit gelebt haben, stehen auch sie in der Nachfolge Jesu Christi, in Erwartung der Krone des Lebens, des ewigen Lebens. Die Betrachter des Altarbildes sollen nun in gleicher Weise in diese unerschrockene Nachfolge hineingerufen werden.

Die Sonntagsseite des Altars:

Nach der ersten Wandlung des Flügelwerks wird in vier großen gemalten Tafeln die Leidensgeschichte Jesu dargestellt. Im ersten Bild ist die Abendmahlsszene zu sehen. Jesu sitzt übergroß herausgehoben in der Tischrunde mit seinen zwölf Jüngern. Sein Gesichtsausdruck ist leidvoll. Johannes, den Lieblingsjünger, hält er liebevoll mit den Armen umfasst. Der Verräter Judas ist im Vordergrund in einer Rückenansicht zu erkennen. Als Zeichen für seinen Verrat nimmt ein kleiner Teufel Besitz von seinem Mund.

Im zweiten Bild sieht man Jesus zur Nachtzeit im Garten Gethsemane im Gebetskampf: „Mein Vater, ist´s möglich, so gehe dieser Kelch an mir vorüber; doch nicht wie ich will, sondern wie du willst!“ Drei seiner Jünger liegen im Vordergrund im Schlafe, im Hintergrund ist Jerusalem zu erkennen.

Den Verräterkuss des Judas und Jesu Gefangennahme zeigt dann das dritte Bild.

Auf dem vierten ist Jesu Anhörung vor dem Hohepriester Kaiphas dargestellt, der dann auch das Urteil spricht.

Alle Szenen entfalten sich in perspektivisch dargestellten Innen- und Landschaftsräumen. Jedem Bild ist im unteren Teil ein kleines Rundbild zugeordnet, das auf alttestamentliche Parallelstellen verweist.

Als Maler diese ausdrucksstarken und leidenschaftlichen Bilder wird nach neusten Forschungen Hans Effelder genannt. Es wird vermutet, dass der junge temperamentvolle Künstler von der Werkstatt des Hans Witten als Partner zur Mitarbeit an dem Gesamtkunstwerk des Ehrenfriedersdorfer Altars zugezogen wurde.

Das Passionsthema der ersten Wandlung wird fortgeführt in den kleinen geschnitzten Figurengruppen im Gesprenge. Links ist der zur Schau gestellte, gegeißelte Jesus zu sehen, rechts der über einem Treppenpodest thronende, seine Hände in Unschuld waschende Pilatus. In der Mitte Jesus am Kreuz, beweint von der Mutter Maria und dem Jünger Johannes. Die Erscheinung des Auferstandenen zwischen den Grabwächtern und den Engeln im unteren Teil des Altars, der Predella, ebenfalls ein Schnitzwerk Wittens, bildet den Abschluss und das Ziel der Passion.

Die Werktagsseite des Altars:

Eine zweite Wandlung des Altars zeigt auf feststehenden Flügeln nochmals Heilige in gemalter Darstellung: Andreas und Bartholomäus auf den inneren, Wolfgang und Martin auf den äußeren Flügeln.

Bischof Wolfgang, ganz links, ist seit alter Zeit der Schutzheilige der Bergleute. Mit der rechten Hand hält er den reichverzierten Krummstab als Zeichen seiner Bischofswürde. In der linken Hand hält er das Modell einer Kirche, vermutlich der Ehrenfriedersdorfer Kirche in ihrer früheren Gestalt. Auf dem Dach der Kirche liegt eine Bergaxt. Im oberen Abschluss des Bildes sind die sächsischen Wappen zu sehen, links das Wappen vom Kurfürstentum Sachsen, rechts das Wappen vom Herzogtum Sachsen.

Ganz rechts ist der Bischof Martin auf dem Flügel des Altars zu sehen. Er hat den Bischofsstab in der Hand und neigt sich über einen mit Pestbeulen behafteten aussätzigen Bettler, der zu seinen Füßen kniet. Es wird erzählt, dass er die Hälfte seines Mantels einem Bettler geschenkt hat. Martin war vermutlich der Schutzheilige des Ehrenfriedersdorfer Hospitals und so erklärt es sich, dass sein Bild unseren Altar schmückt. An den oberen Rändern der Tafel sind die Wappen der Herren von Waldenburg und Wolkenstein, zugleich auch Wappen von Ehrenfriedersdorf, zu sehen. Die Wappen über beiden Bischöfen sind als Gesten an den Landes- und die früheren Grundherren zu verstehen, vielleicht bezeugen sie auch Stiftungen dieser Herren für das Altarwerk.

In der Mitte links ist der Apostel Andreas dargestellt. Er hat zur Seite ein Kreuz in Form des Buchstaben X. Um seines Glaubens Willen wurde er an so einem Kreuz aufgehängt und erlitt den Märtyrertod. Noch heute wird ein so geformtes Kreuz Andreaskreuz genannt.

In der Mitte rechts sehen wir den Apostel Bartholomäus. Er hält in der rechten Hand das Evangelienbuch und in der linken ein Schindmesser. Er soll ein Evangelienbuch geschrieben haben, das verloren ging, und ist der Legende nach um seines Glaubens willen geschunden worden. Man soll ihm bei lebendigem Leibe die Haut abgezogen haben. Bartholomäus war der Schutzpatron des Schlosses zu Wolkenstein, zu dessen Besitz einst Ehrenfriedersdorf gehört hat, und Andreas war der Schutzheilige der Burggrafen von Meißen, die das Andreaskreuz im Wappen führten. Dem Geschlecht der Meißner Burggrafen aber gehörte die Mutter des letzten Waldenburgers auf Schloss Wolkenstein an. Diesen Umständen dürften es Andreas und Bartholomäus zu verdanken haben, dass sie mit auf unseren Altar gekommen sind. Die Gemälde dieser zweiten Wandlung haben einen schweren, würdevolleren Charakter als die leidenschaftlichen Passionsbilder und sind Arbeiten einer dritten Künstlerpersönlichkeit, die an dem großen Werk mitwirkte. In dem Maler Hans von Cöln darf man den Meister dieser Ehrenfriedersdorfer Standflügel sehen. Er arbeitete mehrfach mit Witten zusammen und wurde in früheren Chroniken irrtümlich als Schöpfer des Gesamtwerkes genannt.

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